20. November 2017

Werden Aargauer Privatschüler bei Gymi-Aufnahme benachteiligt?

Der Übertritt an die Mittelschule ist für Privatschüler nur nach bestandener Aufnahmeprüfung möglich. Schüler von öffentlichen Bezirksschulen können mit dem verlangten Notenschnitt hingegen prüfungsfrei in die Mittelschule eintreten. Nun wehrt sich eine Privatschule.
"Diskriminierend": Aargauer Privatschüler müssen zur Aufnahmeprüfung - Bezschüler nicht, Aargauer Zeitung, 20.11. von Jörg Meier


Das «Lernpodium Private Oberstufe» ist eine private Tagesschule in Wettingen. Rund 60 Schülerinnen und Schüler besuchen die Schule, die in kleinen Klassen auf Stufe Sekundar- und Bezirksschule unterrichtet. Dies geschieht mit ausdrücklicher Bewilligung des Kantons. Das «Lernpodium Private Oberstufe» finanziert sich ausschliesslich aus den Beiträgen der Eltern; der Kanton gewährt der Schule keinerlei Unterstützung.

Mit dieser Tatsache hat die Schule leben gelernt. Für Unmut und Unverständnis aber sorgt nun eine Regelung aus dem Bildungsdepartement. «Unsere Bezirksschülerinnen und –schüler werden im Vergleich zu den Schülern an den staatlichen Bezirksschulen klar benachteiligt», ärgert sich Schulleiter Thomas Koemeter.

Doppelt benachteiligt
Denn obwohl das Lernpodium eine bewilligte Bezirksschule ist, müssen die Schülerinnen und Schüler obligatorisch eine Aufnahmeprüfung ablegen, wenn sie in die Mittelschule wechseln wollen. Wer hingegen die öffentliche Bezirksschule absolviert, muss das nicht. Wer den verlangten Notenschnitt erreicht, kann prüfungsfrei in die Mittelschule eintreten. Die obligatorische Abschlussprüfung wurde 2016 abgeschafft.
«Wir bieten eine gleichwertige Ausbildung wie die staatliche Bezirksschule, deshalb ist die ungleiche Behandlung von Privatschule und öffentlicher Bezirksschule diskriminierend», sagt Koemeter.

Auch bei der vom Kanton aufgezwungenen Aufnahmeprüfung an die Mittelschule seien die Privatschulen benachteiligt, sagt Koemeter. Die Prüfung findet jeweils bereits im März statt, also drei Monate früher als seinerzeit die Abschlussprüfung.

Wer von der staatlichen Schule kommt und die Aufnahmeprüfung an die Mittelschule absolvieren will, darf das erst im Jahr nach dem Austritt aus der Volksschule tun. Und wer etwa von der Fachmittelschule ans Gymnasium wechseln möchte, hat die gleiche Aufnahmeprüfung zu bestehen. Die meisten Absolventen der Aufnahmeprüfung haben also rund ein Jahr mehr schulische Erfahrung als die Privatschüler.

«Damit sind unsere Schüler gleich doppelt bestraft», sagt Koemeter. «Auch wenn sie den notwendigen Notenschnitt erreichen, dürfen sie nicht prüfungsfrei in die Kanti wechseln, sondern müssen an die Prüfung, wo die meisten andern Prüflinge im Vorteil sind, weil sie einen erheblichen Wissensvorsprung haben.»

Die Privatschule wehrt sich
Entsprechend fiel auch das Resultat aus: Von den sieben Prüflingen des Lernpodiums bestand 2017 nur ein einziger die Aufnahmeprüfung an die Kanti. «Wir hatten mindestens drei Schüler, welche den erforderlichen Notenschnitt in den Zeugnissen deutlich übertroffen haben. Doch sie mussten trotzdem zur Prüfung unter den genannten Umständen antreten.» Wer nicht bestanden hat, stehe nun mit leeren Händen da.

In der Folge hat sich Thomas Koemeter an das Bildungsdepartement gewandt und verlangt, die Ungleichbehandlung der Privatschulen sei aufzuheben; künftig sollen auch Schülerinnen und Schüler des Lernpodiums prüfungsfrei an die Kanti übertreten können, wenn sie den erforderlichen Notenschnitt erreichen. «Bei uns unterrichten gleich ausgebildete Lehrpersonen wie an der staatlichen Bezirksschule», argumentiert Koemeter, «wir stellen die gleichen Anforderungen im Unterricht, und weil wir kleine Klassen haben und als Tagesschule funktionieren, können wir unsere Schüler wohl eher noch besser fördern als das an einer grossen öffentlichen Bezirksschule in der Regel geschieht.» Für Koemeter ist nicht nachvollziehbar, dass seine Privatschule zwar für den Übertritt von der Primar- an die Oberstufe relevante Empfehlungen abgibt; beim Übertritt von der Oberstufe an die Mittelschule sind hingegen die Einschätzungen der Schule nicht gefragt.

Verwaltungsgericht entscheidet
Das Bildungsdepartement sieht indes keinen Verstoss gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und will deshalb nichts an der Regelung ändern. «Die Übertrittsbedingungen mit Notenschnitt gelten ausschliesslich für Schülerinnen und Schüler von öffentlichen Bezirksschulen», erklärt Simone Strub, Mediensprecherin des Departements.

Privatschulen müssten sich zwar an den geltenden Lehrplan halten, seien aber in der Gestaltung ihres Betriebs weitgehend frei. «Es kann deshalb Unterschiede zur öffentlichen Schule geben, die sich auf die schulischen Leistungen und Zeugnisnoten auswirken und die Vergleichbarkeit von Notenschnitten erschweren», sagt Simone Strub weiter. Es gebe viele Privatschülerinnen und –schüler, welche die Prüfung problemlos bestehen. «Sie beweisen damit, dass der Ausbildungsgang an der Privatschule es ermöglicht, das von der Mittelschule geforderte Niveau zu erreichen», folgert Strub.

Gut denkbar, dass dennoch schon bald Bewegung in die Sache kommt. Denn Koemeter will Grossrätinnen und Grossräte für die Thematik sensibilisieren, aber auch aufzeigen, inwieweit der Kanton von den Privatschulen profitiert; so werden in den Aargauer Privatschulen rund 800 Kinder unterrichtet. Sämtliche Schulkosten tragen die Eltern; Gemeinden und Kanton sparen dadurch viel Geld.

Die Eltern eines betroffenen Schülers sind zudem beim Verwaltungsgericht vorstellig geworden, das nun entscheiden wird, ob eine Diskriminierung vorliegt oder nicht.


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