17. Januar 2018

Für Bildung und Demokratie

Mit staatspolitischen Interessen argumentieren die Befürworter. Die Volksinitiative «Lehrplan vors Volk» setze zwei der wichtigsten schweizerischen Erfolgsfaktoren ins Zentrum: Bildung und Demokratie. Dies sagte der Vizepräsident der Zürcher Jungfreisinnigen, Sandro Lienhart, als Vertreter des überparteilichen Abstimmungskomitees am Montag vor den Medien. Das Zürcher Stimmvolk solle mitreden können, wenn es um derart wichtige Entscheidungen wie den Lehrplan gehe.
Zürcher Gegner starten letztes Manöver gegen den Lehrplan 21, NZZ, 17.1. von Lena Schenkel


Der Lehrplan legt fest, was Schüler während ihrer obligatorischen Schulzeit lernen sollen, und wird vom Bildungsrat erlassen, einem neunköpfigen Fachgremium mit Vertretern aus Schule, Wissenschaft und Wirtschaft. Das bliebe auch so, wenn die Zürcher Stimmbürger die Volksinitiative am 4. März annähmen. Jedoch müsste der Kantonsrat neue oder geänderte Lehrpläne künftig genehmigen – und über das fakultative Referendum könnte das Volk in letzter Instanz mitentscheiden.

Sollen Fachleute oder die Basis entscheiden?
Der Kantonsrat selbst hatte die von SVP- und EDU-Politikern, konservativen Schulvertretern und Jungfreisinnigen portierte Initiative letzten Sommer wuchtig verworfen; der Regierungsrat lehnt diese ebenfalls ab. Wie Bildungsdirektorin Silvia Steiner am Dienstag an einer Medienkonferenz ausführte, gebe es genügend demokratische Möglichkeiten, auf die Gestaltung des Lehrplans einzuwirken.

Der Bildungsrat sei von den Volksvertretern im Kantonsrat gewählt, erstelle Lehrpläne in breiten Mitwirkungsverfahren und gebe diese zur Vernehmlassung. Diese Kompetenzregelung habe sich während Jahrzehnten bewährt; Volk und Rat hätten ihr mehrfach zugestimmt. Wenn nun Politiker oder Stimmbürger statt Fachexperten, die eng mit den Schulen zusammen arbeiteten, über pädagogische Inhalte entscheiden müssten, drohe die Bildung zum Spielball politischer Interessen zu werden. Bildungsrat und Vizepräsident des Verbandes Zürcher Schulpräsidien Theo Meier verglich den Lehrplan als komplexes Regelwerk mit einem Mobile: Ändere man daran etwas, gerate alles durcheinander.
Dagegen hatten tags zuvor die Initianten argumentiert, dass das Stimmvolk gewöhnt sei, sich mit komplexen Sachfragen auseinanderzusetzen. Camille Lothe von der jungen SVP sagte, es sollten nicht «weit vom Schulalltag entfernte Theoretiker» entscheiden, sondern die Betroffenen an der Basis. Nach Meinung des Komitees verstärke dies dort deren Akzeptanz und könne nachträglichen Widerstand verhindern. Kantonsrätin Anita Borer (svp.) rechnete derweil vor, was der neue Lehrplan 21 kostet: von den Weiterbildungen der Lehrer bis zu den neuen Lehrmitteln.

Damit machte sie klar, worum es den Befürwortern der Initiative in erster Linie geht: die Zürcher Variante des Lehrplans 21 zu verhindern (siehe Zusatz). So monieren einzelne Vertreter wie der Kinderarzt Hannes Geiges (cvp.) oder der Sekundarlehrer Régis Ecklin (svp.), die verschiedenen Interessengruppen seien nur ungenügend berücksichtigt worden. Diesem Vorwurf widerspricht die Chefin des Volksschulamts Marion Völger auf Gegnerseite: 131 Stellungnahmen seien in die Erarbeitung des neuen Lehrplans eingeflossen und hätten zu einem breiten Konsens geführt. Sämtliche grossen Verbände im Schulbereich hätten den letztjährigen Erlass gestützt.

Der Lehrplan 21 kommt sowieso
Würde die Initiative angenommen, müsste der Kantonsrat diesen wohl im Sinne einer Übergangsbestimmung nachträglich genehmigen. Falls er dies nicht täte, dauerte es voraussichtlich Jahre, bis ein neuer Lehrplan ausgearbeitet würde. Oder wie es Bildungsdirektorin Steiner ausdrückte: «Zurück auf Feld 1, wie beim Leiterlispiel.» Täte er dies, müsste künftig selbst die kleinste Änderung durch den Kantonsrat, was aufwendig und unzweckmässig sei.

In jedem Fall aber werde der neue Lehrplan 21 planmässig diesen Sommer eingeführt. Was das für die Volksschulen bedeutete, erklärte Martin Lampert, der als Sekundarlehrer ebenfalls im Bildungsrat sitzt: Unsicherheit. «Fatal und kostspielig» nennt er das drohende Hü-hott-Szenario. Die Vorbereitungen zum Lehrplan 21 liefen auf Hochtouren, bereits seien Lehrer geschult und neue Lehrmittel im Einsatz. Im schlimmsten Fall müssten diese Jahre nach einem neuen Modell unterrichten, ehe ein neuer Lehrplan in Kraft treten könnte. Dass man den Lehrplan übereilt erlassen habe, um dieses Argument gegen die Initiative anführen zu können, lässt die Bildungsdirektorin nicht gelten: Die Umsetzung sei sehr sorgfältig geplant worden. Vielmehr wäre es für Steiner undemokratisch gewesen, die Umsetzung ihretwegen zu stoppen.


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