18. März 2018

Wie viel Digitalisierung braucht es?

Wie viel Handy braucht ein Kind? Wer die didaktisch richtige Antwort hat, werfe das erste Smartphone. Während die einen Drittklässler noch Mandalas ausmalen, sind andere in jeder freien Minute im Rausch von Handy-Games, Chat-Nachrichten und Musikvideos. Der Konflikt ist programmiert, wenn Familien mit unterschiedlichen Erziehungsphilosophien aufeinandertreffen. 
Kinder müssen digital lernen - aber bitte mit Augenmass, Ostschweiz am Sonntag, 18.3. von Martin Oswald


Wie viel digitale Technologie braucht die ­Schule? Auch diese Frage wird kontrovers dis­kutiert. Zu reden gab diese Woche die Kantonsschule Romanshorn. Dort müssen Schüler ab August ein eigenes Gerät zur Schule mitbringen. «Bei uns sind Handys auch Lerngeräte», sagt Rektor Stefan Schneider. Digitalisieren wir jetzt staatlich verordnet unseren Nachwuchs?

Als Vater zweier Kinder und als Leiter Online beim «St. Galler Tagblatt» schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Selber in den analogen Achtzigerjahren aufgewachsen, wünscht man sich auch für die eigenen Sprösslinge eine Kindheit an der frischen Luft, mit Fussball spielen, Fahrrad fahren, auf Bäume klettern. Ab und an ein blutiges Knie inklusive. Ist es darum richtig, Kinder möglichst lange von Smartphones und Tablets fernzuhalten?

Angesichts einer Gesellschaft mitten im digitalen Wandel darf die Antwort auf diese Frage nicht mit dem verklärten Blick auf die eigene Kindheit erfolgen. Die Schüler von heute treten morgen in einen sich stark verändernden Arbeitsmarkt ein. Berufe ohne Anforderungen an digitale Fertigkeiten sind ein Auslaufmodell. Wenn wir Kinder auf diese Berufswelt vorbereiten wollen, dann müssen digitale Medien Teil der Erziehung und ebenso der schulischen Ausbildung sein. Zu diesem Schluss kam auch der Lehrplan 21, der «Medien und Informatik» stärker gewichtet. Und das war höchste Zeit, hat man es doch während Jahren verschlafen, diesem Thema das nötige Gewicht beizumessen. 

Nun gilt es jedoch, das richtige Augenmass zu finden. Meine Kinder sollen die Chance haben, das Internet in all seinen Facetten kennen zu lernen. Ein paar Mal die Woche, zeitlich begrenzt und, wo nötig, begleitet. So versuchen wir das zu Hause. Und so wünsche ich es mir auch von der Volksschule. Jede Unterrichtssequenz mit Lern-Apps und digitalen Aufgaben würzen, das wäre des Guten zu viel. Doch es wird Zeit, dass wir ab der Mittelstufe berufs- und lebensnahe Angebote schaffen: Programmieren lernen, News verifizieren oder Grafiken animieren. Es sind dies Fertigkeiten, die unsere Kinder mindestens so sehr aufs Leben vorbereiten, wie es Geometrie und Französisch tun.

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