Späte Einsichten im Baselbiet, Bild: Keystone
Bildungspolitiker sympathisieren mit Harmos-Austritt, Basler Zeitung, 18.1. von Franziska Laur
Es ist der 30. November 2008
und der schwärzeste Tag im Leben des Aargauer Bildungsdirektors Rainer Huber
(CVP). Er wird abgewählt. Wenig später zeigt das Aargauer Stimmvolk an der Urne
auch Hubers Schulreform die Rote Karte. Sein Nachfolger, Alex Hürzeler (SVP),
tritt mit einem neuen, kleineren Reformpaket an die Öffentlichkeit und
verkündet, dass der Beitritt zu Harmos im Aargau vorderhand nicht behandelt
wird.
Dennoch werden im Kanton
Aargau schon dieses Jahr Harmos-konform sechs Primar- und drei
Sekundarschuljahre eingeführt. Bereits umgesetzt sind zwei obligatorische
Kindergartenjahre. Bezüglich Frühfremdsprachen jedoch fährt der Aargau sein
eigenes Züglein und führt als Erster Englisch ein und nicht Französisch wie die
anderen Nordwestschweizer Kantone.
Von einer solchen schlanken
und reibungslosen Umsetzung von zwei Harmos-Pfeilern können die Lehrer in den
beiden Basel nur träumen. Für sie ist aber die Reformhektik zum leidigen Alltag
geworden. Viele haben genug: Die «Starke SchuleBaselland»
prüft nun eine Initiative zum Ausstieg aus Harmos.
Schlechte Elemente
weglassen
Er habe grosse Sympathien für
diese Initiative, sagt Michael Herrmann (FDP), Mitglied der landrätlichen
Bildungskommission. Er sei schon vor der Abstimmung dem Beitritt zum
Harmos-Konkordat kritisch gegenübergestan-den – heute sehe er sich in dieser
Haltung bestätigt: Die wesentlichen Eckpunkte von Harmos seien nicht erfüllt.
«Das ist doch keine wirkliche Harmonisierung, wenn nicht einmal die Einführung
der ersten Frühfremdsprache einheitlich geregelt ist», sagt er. Ausserdem zeige
sich jetzt, dass das Projekt viel teurer werde als damals mit 50 Millionen
Franken vorgestellt. Für Herrmann wäre ein Austritt aus Harmos durchaus eine
Option. «Dann können wir diejenigen inhaltlichen Massnahmen von Harmos
umsetzen, die sinnvoll sind und die schlechten weglassen.» Er habe allerdings
noch nicht abschliessend entschieden, ob er die Initiative unterstützen werde.
Auch Paul Wenger (SVP),
Präsident der landrätlichen Bildungskommission, kann sich einen Austritt aus
Harmos vorstellen, da dies sowieso in der ganzen Schweiz gescheitert sei.
«Stellen Sie sich vor: Wenn eine Familie von Augst nach Kaiseraugst zügelt,
sind ihre Kinder schon im Hintertreffen, weil sie in der Schule drei Jahre
weniger Englischunterricht hatten.» Die Bürger hätten Harmos zugestimmt, weil
ihnen gesagt wurde, dass man bei einem Umzug in einen anderen Kanton keine
Probleme mit anderen Schulsystemen habe. Dieses Versprechen sei nicht eingelöst
worden – und trotzdem koste Harmos viel Geld.
Die unterschiedliche
Sprachenstaffelung in der deutschen Schweiz ist für BildungsdirektorUrs
Wüthrich «ein
Tolggen im Reinheft der Bildungsharmonisierung». «Selbstverständlich ist es
unschön, dass in dieser Frage die Grenze zwischen Augst und Kaiseraugst
verläuft.» Zur Initiative erklärt er lediglich, dass der Kanton Baselland in
Sachen Bildungsharmonisierung «gut unterwegs» sei und daran festhalte.
«Mit Harmos sind wir zwar
nicht zufrieden, doch dies ist der falsche Weg, um das Ganze zu stoppen», sagt
die Basler Basta!-Grossrätin Heidi Mück. Doch für sie ist klar: «Wir müssen
abspecken und uns aufs Wesentliche konzentrieren.» Die Lehrpersonen müssten
wieder den Rücken freihaben, um sich auf ihr Kerngeschäft, das Unterrichten, zu
konzentrieren. «Im Bildungswesen ist ein riesiger Kontrollwahn losgetreten
worden», sagt sie. Und jetzt komme noch der Lehrplan 21; «ein unübersichtliches,
unanwendbares Gebilde». «Ich bedaure, dass der Kanton Basel-Stadt keine Kritik
in die Vernehmlassung hat einfliessen lassen», sagt Mück.
Entscheid in drei
Wochen
Für SP-Grossrätin Kerstin
Wenk, Gewerkschaftsvertreterin im Bereich Bildung, wäre ein Austritt aus Harmos
eine Option. «Das müsste man prüfen», sagt sie. Denn für sie ist Harmos
gescheitert: «Die wichtigsten Eckpunkte, nämlich die einheitliche Einführung
von Erstfremdsprachen und einheitliche Stundentafeln, wird es nicht geben.»
Dafür habe man den «unsinnigen Lehrplan 21». «Diesen muss man überarbeiten, und
das ganz massiv», sagt sie.
Saskia Olsson, Geschäftsführerin
des Komitees «Starke Schule Baselland», teilte gestern mit, dass sie in drei
Wochen darüber informieren werde, ob eine oder mehrere Initiativen für einen
Baselbieter Harmos-Ausstieg lanciert werden. Sie habe vom Vorstand im November
den Auftrag erhalten, die Erfolgswahrscheinlichkeit der Initiative zu prüfen
und bei den Mitgliedern die Akzeptanz abzuklären.
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