8. April 2014

Idee, Mikrophon, Sprechen, Denken

In einem Interview mit dem Schweizer Fernsehen fordert der Präsident der Schweizer SchulleiterAustauschprogramme mit der Westschweiz: "Alle Deutschschweizer Schüler sollten die Möglichkeit haben, während ihrer Schulzeit ein paar Wochen oder Monate im Welschland zu verbringen und umgekehrt“. Damit soll das drohende Auseinanderbrechen der Schweiz abgewendet werden. Tönt gut. Auch wenn der Sprachunterricht nicht prioritär da ist, um unser Land zusammenzuhalten. Auch wenn unser Land gar nicht so stark vom Zerfall bedroht ist, wie uns dasBundesrat Berset weismachen will. Sprachaufenthalte schaffen Kontakte, Kontakte schaffen Motivation, Motivation fördert das Sprachenlernen.
Urs Kalberer, 8.4. für den Blog der Südostschweiz

Schauen wir uns den Vorschlag „Austauschprogramme“ genauer an. Solche Programme existieren seit Jahrzehnten. Eine Deutschschweizer Klasse besucht eine Partnerklasse im Welschland oder in der italienischen Schweiz. Neu ist die Idee also nicht, aber ist sie wenigstens praktikabel? Unbestritten lernen die Kinder in einer Gastfamilie umgeben von der neuen Sprache viel schneller und mehr als in der Deutschschweizer Schule. Unbestritten ist aber auch, dass der Kontakt zu anderen Deutschschweizer Kindern während des Austauschprogramms möglichst klein gehalten werden sollte. Einzelaufenthalte bringen mehr als der Austausch ganzer Klassen, wo dann trotzdem Deutsch gesprochen wird. Idealerweise sollte pro Deutschschweizer Kind ein französisch- oder italienischsprachiges zugeteilt werden.  Doch wo sollen denn die vielen Deutschschweizer Klassen und Schüler Unterschlupf finden? Rein zahlenmässig kann es sich hier nur um ein Programm für wenige privilegierte Schüler handeln. Die Forderung ist also kaum realisierbar. Ausserdem ist unsicher, wie viele Familien bereit sind, ihr Kind wochen- oder monatelang im fremden Sprachgebiet zu platzieren.

Und die Welschen? Es ist bekannt, dass diese lieber nach Deutschland gehen, wo sie „richtiges“ Deutsch lernen, als sich mit dem scheinbar nutzlosen Schweizerdeutsch abzumühen. Es ist zu einfach und bequem, den Deutschschweizern allein die Verantwortung für das angebliche Auseinanderdriften der Landesteile zuzuschieben. Genauso ist es zu kurzsichtig, den Schüleraustausch als Allerheilmittel für den Sprachunterricht zu postulieren. Alles in allem ist die nette Austausch-Idee also nicht viel mehr als ein wenig durchdachter Profilierungsversuch der Schulleiter. Haben die das wirklich nötig?

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